Auszüge aus dem vertraulichen Tagebuch eines superfiesen SysOps

(Autor unbekannt)

 

--- Achtung: Die skandalösen Gemeinheiten NICHT nachmachen! ---

 

 

Heute ist Montag:

 

Heute ist der Backup-Tag. Das ist mein absoluter Lieblingstag. Würg! Andererseits hat es natürlich gewisse Vorteile, der Operator zu sein. Ich linke das Tape-Device nach /dev/null - viel ökonomischer. Alle Daten werden so gleich dorthin geschickt, wo sie hingehören: Ins Daten-Nirwana. Die Wahrheit ist doch die: 99,9% aller Daten schaut sich doch kein Schwein jemals mehr an.

 

Die Datensicherung für Fieslinge empfehle ich allen. Schnell! Zuverlässig! Ökonomisch... zumindest, was meine Arbeitszeit angeht, weil ich nicht alle 5 Minuten Bänder wechseln muss. Außerdem dauert das gesamte Backup nur noch etwa 2 Minuten, also kann es nicht ganz schlecht sein! Wieder 5 volle Arbeitsstunden gespart. Die nutze ich, um mit Porno-Videos alle Datenleitungen zu blockieren. Klasse: 15 Filme in Echtzeit parallel. Ich liebe die moderne Technik des neuen Millenniums!

 

Oh, was ist das? Ein Benutzer ruft an.

 

"Wissen Sie, warum das System sooooooo langsam ist????"

 

"Wahrscheinlich liegt’s an ..."

 

Ich schaue nach, was heute dran ist:

 

" ... der Taktfrequenz."

 

"Ah."

 

Wenn sie nicht wissen, wovon man redet, sind sie meistens zufrieden.

 

"Wissen Sie, wann das mit der Frequenz repariert wird?"

 

"Repariert? Es sind 375 Benutzer auf deiner Maschine, einer davon bist du. Nun sei ein braver Junge und lass mal ein paar andere ran. Log aus, Egoist!"

 

"Aber ... aber die Ergebnisse müssen morgen abgegeben werden. Ich brauche nur noch eine Seite auf dem Laserdrucker..."

 

"Dann aber schnell. Gleich ist das...Time-out Limit...erreicht."

 

"Time-out? Oh, vielen Dank!"

 

Mal sehen, wer schneller ist: Er beim Ausdruck, oder ich mit meinen 2 Sekunden, in denen ich ihn sofort aus dem System geworfen habe. Hat doch selber Schuld, was beschwert der sich auch?

 

Man muss ein wenig nachhelfen, bis sie endlich lernen, NICHT mehr anzurufen!

 

Inzwischen ist das Backup in neuer Rekordzeit zu Ende gelaufen. 1 Minute und 57 Sekunden. Es lebe die moderne Rechnertechnik!

 

Heute ist Dienstag:

 

Das Telefon klingelt. Ich ahne schon, dass "ER" es ist. So was nervt mich. Ich verringere meine Stimmlage um 2 Oktaven und sage:

 

"HALLO, HIER IST DIE LOHNBUCHHALTUNG!"

 

"Aaaaah .. oh???? Tut mir leid. Ich habe wohl die falsche Nummer ge..."

 

"SOOO? Wie ist denn Ihr Name? Wissen Sie, wie viel Geld uns solche falschen Anrufe kosten? WISSEN SIE DAS? Ich hätte gute Lust, Ihre vergeudete Zeit, meine vergeudete Zeit und die Kosten dieses Anrufs von Ihrem Monatsgehalt abzuziehen! TATSACHE, DAS WERDE ICH AUCH! Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden SIE UNS Geld schulden! WIE IST IHR NAME - UND KEINE LÜGEN! WIR HABEN HIER ISDN!"

 

Ich höre wie der Hörer runter fällt und sich jemand in Trab setzt - er will sich im Sekretariat des Dekans ein Alibi besorgen. Ich tippe seinen Benutzernamen ein und rufe im Sekretariat des zugehörigen Dekanats an.

 

"Hallo?"

 

"Hallo, Simon, Operator hier. Passen Sie auf! Wenn ER in etwa 10 Sekunden in Ihr Büro stürmt können Sie ihm was ausrichten?"

 

"Ich denke schon..." sagt sie unsicher.

 

"SAGEN SIE IHM: ER KANN RENNEN, ABER ER ENTGEHT MIR NICHT!"

 

"Ähm, gut."

 

"Und nicht vergessen. Es wäre doch schade, wenn jemand Ihre Datei mit den einschlägigen Hardcore S & M Tipps in Ihrem Account finden würde...? Wir verstehen uns doch?"

 

Ich höre ihre langen Fingernägel panikartig über die Tastatur klappern... "Sparen Sie sich die Mühe - ich hab bereits ne Kopie. Nun seien Sie ein gutes Mädchen und richten Sies ihm aus!"

 

Sie verspricht es heulend.

 

Erste Regel für alle SysOps: Es ist immer gut, alle Accounts auf illegale "I love you" Mails und andere interessante Anhänge elektronisch zu durchsuchen.

 

Heute ist Mittwoch:

 

Kaum bei der Arbeit, schon klingelt das Telefon.

 

"Ich brauche mehr Speicherplatz!" sagt er.

 

"Warum ziehen Sie nicht in den Osten?"

 

"Quatsch, in meinem Account, Sie Idiot."

 

Idiot? Oh-oh...! Hat der mich gerade IDIOT genannt????

 

"Es tut mir so leid", sage ich wie Mutter Beimer in der Lindenstraße "aber ich hab das nicht ganz mitgekriegt. Was sagten sie doch gleich?"

 

Ich kann die aufkommende Angst durch die Leitung riechen. Aber es ist zu spät: er ist erledigt und er weiß es.

 

"Ähm, ich sagte, ich hätte gerne etwas mehr Speicherplatz in meinem Account... bitte!"

 

"Aber klar. Augenblick mal."

 

Ich höre ihn erleichtert aufatmen, obwohl er die Sprechmuschel mit der Hand abdeckt. "Erledigt. Sie haben massig Platz jetzt."

 

"Wie viel?"

 

Das geht mir nun wirklich auf den Keks! Nicht nur dass sie dauernd Speicherplatz von mir fordern, sie wollen mich auch noch kontrollieren und protestieren wenn ich ihnen nicht genug gebe. Sie sollten glücklich sein mit dem was von mir gibt und basta!

 

Wieder in einem zuckersüßen Tonfall wie Mutter Beimer:

 

"Also, schau’n wir mal. Sie haben 60 MB frei."

 

"Klasse! 120 MB zusammen. Vielen Dank!", sagte er begeistert von seiner Verhandlungstechnik.

 

"Moment!", unterbreche ich. Das muss man genießen wie den Höhepunkt beim Sex.

 

"60 MB I-N-S-G-E-S-A-M-T."

 

"Was? Ich habe doch schon 60 MB belegt. Wie kann ich dann noch 60 MB frei haben?"

 

Ich sage nichts. Ist auch nicht nötig. Er wird schon noch drauf kommen.

 

"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarrrrrrrrrrrrggggghhhhhh!"

 

Ich mag mich, wenn ich eklig bin. Ehrlich!

 

Ich spiele gerade DOOM an der Masterkonsole als irgend so ein gedankenloser Bastard anruft. Sehr genervt hebe ich ab:

 

"Hallo?", sage ich.

 

"Wer ist da?", sagt er.

 

"Ich denke, ich bin‘s", sage ich. Wozu habe ich den Kurs Erfolgreiches Verhandeln am Telefon absolviert?

 

"Wer ich?"

 

"Wird das ein Österreicherwitz?", sage ich während ich mit allen verfügbaren Fingern auf den Feind ballere.

 

ZU SPÄT. YOU GOT KILLED. GAME OVER.

 

Meine Laune sinkt von minus zweihundert auf den absoluten Nullpunkt.

 

"Was kann ich für Sie tun?"

 

Stimme so weich wie Kaschmirwolle (ein untrügliches Warnzeichen!)

 

"Ähm, Ich hätte gerne gewusst, ob wir ein bestimmtes Software-Paket haben..."

 

"Was für eine Software ist das?"

 

"Ähm, sie heißt O-F-F-I-C-E"

 

klickerdiklackerdiklick: Delete OFFICE.EXE.

 

"Hm, tut mir leid, haben wir nicht. Wir hatten das mal..."

 

"Oh. Na gut, die andere Sache, weswegen ich anrufe: könnte man alle Daten in meinem Account auf Band kopieren. Dann hätte ich eine Sicherheitskopie zu Hause im Falle eines Falles..."

 

"Im Falle eines Falles?"

 

"Ja, falls sie zum Beispiel aus Versehen gelöscht werden oder so..."

 

"GELÖSCHT! Ah, machen Sie sich da mal keine Sorgen. WIR MACHEN DOCH BACKUPS."

 

(Ich bin so ein Schwein!)

 

"Wie ist Ihr Username?"

 

Er gibt mir seinen Usernamen. Nicht sehr helle, der User...!

 

klickediklackediklick...

 

"Aber Sie haben doch gar keine Daten in Ihrem Account!" sage ich, baffes Erstaunen in der wohl modulierten Stimme.

 

"Natürlich habe ich Daten. Sie schauen sicher an der falschen Stelle!"

 

klickediklackediklick...

 

"Ah, stimmt. Ich war falsch...", sage ich.

 

Hat er nicht gerade "Typisch" in seinen Bart gemurmelt? Na, warte!

 

"Ich Wollte sagen: DER USERNAME EXISTIERT GAR NICHT."

 

"Was?"

 

Wimmern in der Leitung.

 

"Aber da muss einer sein. Ich habe doch erst heute Morgen darin gearbeitet!"

 

"Aha! Da liegt das Problem. Sehen Sie, da war ein Virus im System heute Morgen. Der ... äh ... ILOVEU-MUTATION 143-B. Löscht alle User die gerade eingeloggt sind, wenn er losbricht. Sie kennen die Warnungen doch sicher aus der BILD-Zeitung...Titelstory vor einigen Tagen...."

 

"Das kann nicht sein. Meine Freundin war auch eingeloggt, und jetzt bin ich gerade in ihrem Account!"

 

"Und welcher ist das?"

 

ER SAGT ES MIR. MANCHE LEUTE LERNENS NIE.

 

"Ah, ja. Den Account konnten wir gerade noch retten."

 

klickediklackediklick...

 

"Sie hat nur alle Daten verloren."

 

"Aber..."

 

"Keine Sorge. Wir haben doch alles auf Backup."

 

"Oh, Gott sei Dank!!!"

 

Oh, ich sehe gerade, wegen der erhöhten Sonnenfleckenintensität wurde ihr Backup sicherheitshalber eingefroren."

 

"Eingefroren" - Wimmern am anderen Ende der Leitung.

 

Ich bin so ein Hund!

 

Heute ist Donnerstag:

 

Mein Job ist so eine Hetze, dass ich kaum dazu komme, kurz mal ins Kino zu fahren, bevor die Leute ihre Ausdrucke abholen kommen. Die Warteschlange ist sowieso viel zu voll, als dass ich alles rechtzeitig ausdrucken (und sortieren) könnte. Also löse ich das Problem ganz elegant:

 

Ich kille alle die kleineren Jobs bis auf zwei und die lassen sich im Nu sortieren. Nach dem Film (einer von diesen Endlos-Bertoluccis, wo der Held nach drei Stunden endlich in grandiosen Visionen zugrunde geht) komme ich zurück um die Ausdrucke auszugeben.

 

Etwa fünfzig Leute warten draußen und ich habe die zwei Ausdrucke... Stimmt ziemlich gut mit meinem Durchschnitt überein. Andererseits hätte ich mehr killen sollen. Egal, ich lasse die beiden Ausdrucke elegant auf den Tisch gleiten, drehe mich um und gehe dann betont langsam zurück in meinen Glaskasten. Die fünfzig User starren mich an.

 

Dabei halte ich deutlich sichtbar das Clipboard in der Hand, das mit den großen roten Buchstaben ACCOUNTS TO REMOVE auf der Rückseite.

 

Keiner sagt ein Wort. Wie immer.

 

Ich sitze wieder gemütlich im Operator Sessel und beobachte den Überwachungs-Monitor, der zufällig mit dem Videoplayer aus der medizinischen Optik verbunden ist (zur Reparatur hier; geschätzter Termin der Rücklieferung: irgendwann in 2004).

 

Plötzlich klingelte das Telefon. Das muss heute schon das zweite Mal sein, und es beginnt mir auf die Nerven zu gehen.

 

"Ja?", sage ich und halte das Bild an.

 

"Ich hab aus Versehen meinen Lebenslauf gelöscht...", sagt die Stimme am anderen Ende.

 

"Tatsächlich? Wie war Ihr Username?"

 

Er sagt es mir. Sch***sse, ...wie langweilig!

 

"Ah, nein. Nicht Sie haben ihn gelöscht - ICH war’s."

 

"WAAAASSSSS????!"

 

"Ich hab ihn gelöscht! Er war voll mit Sch***sse! In keinem einzigen Fach was Besseres als ne zwei!"

 

"Hähhhhhh?"

 

"Und der Mist mit dem Austauschstudium - das war Ihre Freundin, und wir beide wissen das!"

 

"Hähhhhhh?"

 

"Na, Ihre Studienangaben. Ich hab’s nachgeprüft. Sie haben gelogen."

 

"Wie haben Sie ..."

 

Es klickt deutlich hörbar.

 

"Oh, nein. SIE sind’s! Haben sie nicht vor 11 Monaten mein Backup zerstört?"

 

"Nein, das war ein Magnet-Wirbelsturm der Kategorie 6+ letzten Sommer... und passen Sie auf, diesen Sommer ist wieder Sturmwarnung...

 

Es wäre wirklich besser gewesen nicht anzurufen, wissen Sie. Vor allem hätten er den Usernamen lieber für sich behalten sollen...

 

klickediklackediklick...

 

"Tja, haben SIE nicht dem System Manager neulich eine Mail voller Kritik geschickt? Eine Mail, die ausdrückt, was Sie von ihm halten - in hübschen Bildern?"

 

"Ich habe keine ..."

 

klickediklackediklick... klick

 

"So? Haben Sie nicht? Wer kann das noch sagen heutzutage? Keine Sorge, es bald wird alles vorüber sein...."

 

klickediklackediklick...

 

..noch den Usernamen zurück ändern...

 

klickediklackediklick...

 

"B-b-b-b" blubbert er wie eine desynchronisierte PDP-11.

 

"Leben Sie wohl" sage ich überfreundlich.

 

"Viel Spaß beim Neubeginn."

 

Ich lege auf.

 

 

 

Kaum liegt der Hörer zurück auf der Gabel, sofort klingelt es. Ich hasse es, wenn es das tut. Ich brauche immer eine Ewigkeit, die Earphones nachher wieder reinzupfriemeln.

 

Diesmal ist es anders. Die heißeste Blondine auf dem Campus ist dran - und sie hat ein Computerproblem! Ich liebe solche Augenblicke. Sie machen den Job erst dazu, was er ist.

 

"Wie ist denn Ihr Username?" frage ich - als ob ich es nicht auswendig wüsste.

 

So schnell ich kann, überfliege ich ihre persönliche Email - das meiste nur todlangweiliges Zeug - und grepe die gesamte User Email nach ihrem Usernamen. Nichts - vortrefflich!

 

"Wie kann ich Ihnen helfen?" flöte ich charmant.

 

"Ich kann mein Dokument nicht abspeichern. Es sagt etwas mit zuwenig ähhh...Speicherplatz...oder so."

 

"Na, das werden wir gleich haben", sage ich und lösche alle anderen Files auf ihrer Platte - außer den ihrigen natürlich. "Jetzt sollte alles funktionieren..."

 

"Oh, vielen, vielen Dank", haucht sie ins Mikrophon.

 

Ich notiere mir, dass ich morgen wieder etwas an ihren Account herumdoktere.

 

 

 

Das Telefon läutet, fast bevor ich es wieder auf der Gabel habe.

 

"Meine Daten sind alle weg!" schreit jemand am anderen Ende.

 

"Wann war das?", frage ich.

 

"Gerade eben...", sagt er schluchzend.

 

"Aha. Tja, Kopf hoch. Es sind noch drei Tage bis zum Semesterende. Wenn Sie Tag und Nacht dran bleiben, werden Sie schon noch eine Drei minus schaffen."

 

Er schluchzt noch zwei- dreimal leise und legt auf.

 

Schwächling!

 

 

 

Das Telefon läutet schon wieder!

 

"Der Bildschirm an meinem PC ist so schwach. Ich kann kaum die Buchstaben erkennen. Soll ich den Helligkeitsregler hochdrehen?"

 

"NEIN!", schreie ich.

 

"Fassen Sie den Knopf nicht an! Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, was da für eine Strahlung rauskommt, wenn Sie den Knopf ganz zum Anschlag drehen?!"

 

"Also ich ...“, sagt sie verunsichert.

 

"HÖREN SIE AUF MEINEN RAT!", sage ich.

 

"Es gibt nur einen SICHEREN WEG, ein schwaches Display aufzumöbeln, und das ist: Nadelenergieimpulse in die Treiber geben!"

 

Die Worte Nadelenergieimpulse und Treiber sind zuviel für sie. Wenn Leute solche Ausdrücke hören, gehen sie automatisch in den dummy mode und machen ALLES, was ich sage. Ich könnte ihr jetzt vorschlagen nackt nur mit einem Netzkabel bekleidet über den Campus zu sprinten und sie würde es wahrscheinlich machen... Hmmmm.

 

"Haben Sie zufällig ein übriges Netzkabel rumliegen?"

 

"Nein..."

 

"Oh, na ja. Dann müssen wir das mit den Nadelimpulsen probieren... Also, Sie schalten jetzt so schnell Sie können Ihren PC ein und aus. Einfach den Kippschalter hin und her flippen, verstehen Sie? Etwa dreißig Mal

 

"Soll ich vorher meine Disketten rausnehmen?"

 

"NEIN! Wollen Sie alle Ihre Daten verlieren?!"

 

"Oh. Nein, natürlich nicht. Also..."

 

Ich lausche gespannt. .klick klack klick klack klick klack klick klack klick klack kl BUMM! Erstaunlich! 27 oder 28. Normalerweise macht sich das Netzteil schon nach dem achten oder neunten Mal in die Hose!

 

"MEIN COMPUTER! ... ER RAUCHT!" schreit sie am anderen Ende.

 

"Wirklich?? Da muss ein Fehler im Netzteil gewesen sein! Gut, dass wir das geklärt haben! Haben Sie noch Garantie auf die Maschine?"

 

"NEIN!"

 

"Du liebe Güte! Was für ein Pech! Tja, dann hilft nur reparieren lassen. Haben Sie wenigstens Ihre Daten gesichert?"

 

"Ja, ins System, gestern erst. Aber die ganze Arbeit von heute morgen ist futsch!"

 

"Sie Ärmste! Wie war Ihr Username? Ich will gleich mal checken, ob Ihre Backups okay sind..."

 

Sie sagt ihn mir...

 

 

Heute ist Freitag:

 

Es ist Freitag; also gehe ich früher zur Arbeit, sogar noch vor dem Mittagessen. Das Telefon klingelt. Sch****sse.

 

Ich blättere den Ausredenkalender um. "Sonneneruptionen" steht da. Okay, darüber muss ich erst ein bisschen recherchieren. Zwei Minuten später bin ich fit für den ersten Anruf.

 

"Kann ich Ihnen helfen?", sage ich.

 

"WO SIND SIE GEWESEN! ICH HABE SCHON DEN GANZEN VORMITTAG ANGERUFEN UND NIEMAND GEHT RAN!"

 

Ich hasse es, wenn sie mich schon am frühen Morgen anbrüllen. Es deprimiert mich irgendwie. Sie wissen, was ich meine...

 

"Äh, ja. Tja, wir hatten heute Morgen auch wieder extrem starke Sonnenaktivität. Das kann böse Auswirkungen auf die Kommunikationsleitungen haben...", sage ich zuckersüß.

 

"Hähhhh? Aber sonst habe ich doch jeden erreicht?!"

 

"Tja, das ist durchaus möglich. Die Auswirkungen erhöhter Sonnenaktivität sind ziemlich unvorhersehbar. Letzte Woche hatten wir sogar den Fall, dass ein paar Files einfach vor den Augen ihres Besitzers verschwunden sind während er noch damit gearbeitet hat..."

 

"Wirklich?"

 

"Kein Sch...! Äh, wollen Sie, dass ich Ihren Account schnell checke?"

 

"Äh, ja. Ich hab ein paar wichtige Dateien drin..."

 

"Okay, wie war noch Ihr Username ..."

 

Er sagt ihn mir. Ehrlich, eine Mücke mit einem Sprengsatz zu erledigen ist schwieriger. Mit einem atomaren Sprengsatz. Mit AWACS-Unterstützung.

 

Sch....!

 

(Ich verzichte ab jetzt auf den klickediklackediklick-Teil, okay?)

 

"Wie viele Dateien sind in Ihren Account?", frage ich.

 

"Ähm, also, etwa 20 in meiner Doktorarbeit, circa 10 mit den Daten dazu, und noch etwa 20 für das Buch, das ich gerade herausgebe."

 

"Hm. Ich glaube, wir schauen erst mal, was noch zu retten ist. Also, da sind noch zwei Files lesbar, .cshrc und .login ..."

 

"AAAAAAAAAAAaaaaaaaaaarrrrrrrrrggggggghhhhhhhh!!!!!!!"

 

Er schluchzt leise ins Mikrophon - mir kommen auch die Tränen!

 

"Was mach ich nur?" schnüffelt er.

 

"Okay, haben Sie irgendwas davon auf Floppy gesichert?"

 

"Schon, aber die sind schon Wochen alt!"

 

Ich spiele mit dem Schalter des Floppy-Löschers.

 

"OK!", sage ich, "wie wär’s, ich komme kurz rüber und lade die Backups in Ihren Account, damit Sie pronto weiterarbeiten können?"

 

"Das wäre toll", wimmert er, "aber die Floppys habe ich zu Hause. Ich fürchte, die muss ich heut Nacht selber runterladen."

 

"Gut. Aber denken Sie daran, was ich vorhin gesagt habe: Sonneneruption sind Gift für Disketten und Maschinen. Sie müssen Ihre Floppys unbedingt vor der gegenwärtigen Sonnenaktivität schützen. Sonst verlieren Sie noch alle Daten."

 

"Wie mach ich das? Sie in Alufolie wickeln?"

 

"UM GOTTES WILLEN, NEIN! Alufolie ist das Schlimmste! Sie wissen doch was mit Alufolie im Mikrowellenherd passiert oder?!"

 

"Doch.."

 

"Dann verwenden Sie es auch nicht! Es gibt nur eine sichere Methode, Disketten erfolgreich zu schützen..."

 

"Und wie?"

 

"MAGNETISCHE FELDER! Packen Sie Ihre Floppys in einen Kopfkissenbezug gefüllt mit möglichst vielen Magneten. Sie können zum Beispiel die von Ihrem Kühlschrank nehmen. Sie wissen schon mit denen Sie ihre Zettel dort fest pinnen - Solarpartikel hassen magnetische Felder."

 

"Wow. Danke."

 

"Gern geschehen. Es ist nur mein Job..."

 

Ich mache Fortschritte.

 

 

Ich finde, so ein verantwortungsvoller Posten wie meiner sollte mit einer angemessenen Mittagspause vergütet werden. Für die paar Stunden setze ich den Hausmeister auf meinen Stuhl, damit es nicht so aussieht, als wir unsere Pflichten vernachlässigen würden (sic!). Ich erkläre ihm, dass er nur darauf achten muss, dass der Hörer nicht aus Versehen auf der Gabel landet. Er ist einverstanden und ich verschwinde.

 

Zuerst die Bank. Ich lasse 20 Euro in Zehncentstücke wechseln und frage dann nach meinem Kontostand. Während der Angestellte noch tippt, ziehe ich unauffällig den Netzstecker von seinem Endgerät. Es stirbt natürlich und ich sage dass ich in Eile bin und dass ich gerne den Manager von diesem Sauladen sehen möchte.

 

Er walzt durch die Tür wie ein gut gefüttertes Riesenbaby und fragt mich, ob es ein Problem gäbe. Ich sage, alles, was ich wolle, sei mein Kontostand und ob das denn zuviel verlangt sei und dass ich immer noch in Eile sei. Dann kreuze ich die Finger.

 

JA! Er findet das herabhängende Netzkabel steckt es wieder rein und loggt sich ein MIT DEM MANAGER ACCOUNT.

 

Ich stolpere wie zufällig an den Schalter und stoße aus Versehen 200 Zehnpfenningstücke hinunter. Der Manager beachtet mich nicht, aber alle anderen tauchen nach den Münzen.

 

Ich beobachte ungestört, wie er sein Passwort eintippt - mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit von einem Zeichen pro Sekunde! Gar kein Problem, der Hardliner macht es mir sogar noch leichter, indem er ein semantisches Wort als Passwort gewählt hat: KONTO.

 

So ein Scherzkeks! Ich verziehe keinen Gesichtsmuskel.

 

Nicht ganz einfach, wenn ich an meine überschuldete Hypothek denke. Heute Nacht werde ich da einiges richtig stellen...

 

Ein Benutzer den ich noch vom D(eletion)-Day 2000 kenne (Y2K hatte alle Daten restlos getilgt) nähert sich, um mich anzuquatschen. Sogar der Manager schüttelt abwehrend den  Kopf, aber es ist zu spät. Er hält direkt vor mir und richtet das Wort an mich!

 

"Ähm, Entschuldigung. Könnten Sie mir einen Tipp geben, welchen Computer ich am besten für meine Diplomarbeit kaufe?"

 

"Schon mal vom neuen Athlon mit 4000 MHz gehört?" frage ich.

 

"Ja..."

 

"Meiden Sie den wie die Pest! Kaum jemand weiß das, aber man handelt sich fürchterliche Probleme ein, wenn man ein Betriebssystem so schnell laufen lässt. Manche von den Kisten machen über 100 Millionen obstructions per second. Sie können sich ja vorstellen, dass da eine solch billige Kiste aus dem Takt kommen muss, nicht?

 

Die Katastrophe ist praktisch vorprogrammiert!"

 

"Oh!"

 

"Nehmen Sie lieber was Sicheres und Bewährtes. Ein IBM AT mit 8 MHZ, 640K RAM und Hercules-Monitor, wenn Sie das kriegen können.

 

Im Vertrauen: Die sind nicht mehr leicht zu bekommen, weil alle Leute, die wirklich was davon verstehen, natürlich nur bewährte Technik kaufen. Kaufen Sie bloß keine Harddisk dazu. Sie haben doch sicher schon gehört wie oft die kaputtgehen? Gute 3 1/2 Zoll-Disketten sind viel besser: Denken Sie daran: Disketten halten ewig!".

 

"Danke, super!"

 

Ich werde wirklich jeden Tag besser.

 

 

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Quelle: www.unterhaltungsspiele.com